Von den Sustainable Development Goals hat sicherlich schon jede:r einmal gehört. Aber sind Ihnen auch die Inner Development Goals (IDGs) bekannt? Diese standen im Mittelpunkt des vergangenen WebTalks. Lars Rademacher, Professor für Unternehmens- und Nachhaltigkeitskommunikation an der Hochschule Darmstadt, hat die Rolle der IDGs als Bezugsrahmen für Qualifizierungsmaßnahmen vorgestellt. Ausgangspunkt des WebTalks war die These, dass die Orientierung an den IDGs ein weiterer Ansatzpunkt sein könnte, um die Resilienz in und von Organisationen zu fördern.
Zu Beginn seines Vortrags präsentierte Lars Rademacher die Aufteilung von Ökologie, Ökonomie und Soziales als Bestandteile der nachhaltigen Entwicklung nicht in der gewohnten Einteilung eines DreiSäulen-Modells, sondern in Form eines Doughnut-Modells, das die komplexen Zusammenhänge nachhaltiger Entwicklung auf neue Weise verdeutlicht. Dieses Doughnut-Modell rückt die Ökologie ins Zentrum und betrachtet sie als die grundlegende Basis für jegliches soziale und ökonomische Handeln. So agiert das Soziale innerhalb der Planetary Boundaries, während die Ökonomie sowohl die planetaren als auch die sozialen Grenzen respektieren muss. Diese Perspektive hebt die Dringlichkeit eines tiefgreifenden, systemischen Wandels hervor.
Die IDGs sind eine relativ junge Bewegung im Diskurs um Achtsamkeit und Nachhaltigkeit. Ursprünglich in den skandinavischen Ländern entstanden, adressieren sie einen wesentlichen "Blind Spot" in den globalen Klimaschutzbemühungen: die wachsende Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln, bekannt als der "attitude-behaviour-gap". Angesichts der absehbaren Verfehlung der internationalen Klimaziele argumentieren die Initiatoren der IDGs, dass der notwendige gesellschaftliche Wandel verstärkt über innere Entwicklung und Transformation verlaufen muss.
Konkret beschäftigen sich die IDGs mit der Frage, wie sich die Fähigkeiten und Qualitäten von einzelnen Akteur:innen fördern lassen, um den Wandel aktiv mitzugestalten. Das IDG-Framework umfasst 23 essenzielle Kompetenzen, die in fünf Kategorien unterteilt sind: Being, Thinking, Relating, Collaborating und Acting. Diese Kategorien bilden verschiedene Dimensionen des menschlichen Seins ab und liefern ein vielseitiges Fähigkeitsset, das Organisationen durch ihre Mitglieder erwerben können. Ziel ist es, Mitarbeiter:innen zu befähigen, flexibel und proaktiv auf Veränderungen zu reagieren.
Besondere Bedeutung kommt dabei vier zentralen Kriterien zu:
- Breadth: Qualifizierungen sollten kontinuierlich in den Arbeitsalltag integriert werden, anstatt punktuell stattzufinden.
- Depth: Inhalte müssen in die Tiefe gehen, um gezielt Schwerpunkte zu setzen.
- Purpose: Die Entwicklung von Einstellungen, die den nachhaltigen Wandel aktiv unterstützen, steht im Fokus.
- Continuous Evolution: Durch konstantes Feedback sollen die erworbenen Fähigkeiten fortlaufend angepasst und weiterentwickelt werden.
Lars Rademacher betonte, dass die IDGs nicht nur den Übergang zu mehr Nachhaltigkeit anstoßen, sondern auch einen nachhaltigen Wandel selbst begünstigen sollen. Wie genau dies in der Ausbildung von Studierenden aussehen kann, zeigte er am Beispiel des Curriculums der IDG University Coalition, zu deren Gründungsmitgliedern die Hochschule Darmstadt zählt. Hierbei unterstrich Lars Rademacher die besondere Verantwortung und das Mandat von Hochschulen, einen substanziellen Beitrag zu Well-being und Sustainability zu leisten.
Zum Abschluss des Vortrags stellte Lars Rademacher eine zentrale Frage für die anschließende Diskussionsrunde in den Raum: Wie können die IDGs als Bezugsrahmen in Organisationen konkret verankert und wirkungsvoll angestoßen werden? Diese offene Fragestellung bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, eigene Ideen und Erfahrungen einzubringen und den Dialog über die praktische Umsetzung dieses Ansatzes zu vertiefen. (lr/ vk)